Über die Gemeinde

Wappen Mitterbach_m

Bezirk: Lilienfeld

Einwohner: 482 (Stand 1. Jänner 2022)
Nebenwohnsitzer: 348 (Stand 1. Jänner 2020)

Seehöhe: 789 m
Gemeindestraßen: 14,2 km
Gemeindefläche: 67,28 km²

Aus der Gemeindechronik

zusammengefasst von Heinz Fahrngruber (Kulturverein Mitterbach)

Als geschlossener Ort existiert Mitterbach kaum länger als 200 Jahre, ist also die jüngste Gründung entlang der „via sacra“, jenes altehrwürdigen Pilgerweges nach Mariazell.

Natürlich kann nicht erst hier im ausgehenden 18.Jht. eine Chronik beginnen. Anfänge von Siedlungstätigkeit in diesem Gebiet stützen sich auf Flurnamenforschung. Halltal weist auf den keltischen Namen für Salz, Erlauf ist vermutlich illyrischen Ursprungs und viele Berg- und Flußnamen zeugen von einer früheren slawischen Besiedelung. Auch der Ötscher, der markante Voralpengipfel, hat seinen Namen aus dem slaw. Othzan, was alter Vater bedeutet, erhalten.

Etwa ab dem Jahre 1000 nach Chr. wird die Geschichte für das Gebiet historisch erfassbar und es finden sich erste schriftliche Quellen. Auf der Linie Göller-Erlaufsee suchte man eine erste Grenze festzulegen zwischen den Herzogtümern Österreich und Kärnten (später Steiermark). Durch Schenkungen und Stiftungen kamen in der Folge große Ländereien an die Bistümer. Der kirchliche Einfluß begann von Süden her im Zuge der Gründung von Mariazell im Jahr 1157 durch die Lambrechter und ganz besonders nach Errichtung des Stiftes Lilienfeld im Jahr 1202. Diese Stiftung des Babenbergerherzogs Leopold VI. erhielt große Gebiete als Schenkung zugesprochen. Der Stiftsbesitz, auch Waldmark genannt, reichte bis zum Ötscher und Erlaufsee, umfaßte auch das gesamte heutige Gemeindegebiet von Mitterbach.

Unter den Zisterziensermönchen von Lilienfeld begann in der Folge eine rege Kolonisation und Besiedelung durch eine deutsch-katholische Bauernbevölkerung. In mühseliger Rodungsarbeit wurden auch unzugängliche Bergregionen erschlossen. Nur die Grenzfestlegung führte immer wieder zu Zwistigkeiten unter den benachbarten Klöstern und eine dieser Zankecken befand sich in unmittelbarer Nähe von Mitterbach, bei der sogenannten Teufelsmühle am Ameisbach (heute Mühlgraben). Eine erste Schlichtungsurkunde geht auf das Jahr 1269 zurück.

Nach einem Lilienfelder Urbar aus dem Jahre 1536 wurde das heutige Gemeindegebiet von Mitterbach erstmals genauer erfaßt. Etwa 35 dem Stift untertane Einzelgehöfte sind in der Seerotte und Josefsrotte aufgezählt. Diese Rotteneinteilung hatte in Mitterbach bis zum Jahr 1974 Gültigkeit.

Zur Mitte des 18.Jhts.wurde man auf die reichen Holzschätze der Stiftswaldungen aufmerksam. Brennstoffnot und zunehmende Industrialisierung veranlaßten das Kaiserhaus zu einem Holzabstockungsvertrag mit dem Stift Lilienfeld. Gleichzeitig vergab man ein kaiserl. Schwemmprivileg für die Erlauf und ihre Nebenflüsse. Dieser Kontrakt mit dem Holzhändler Franz Josef Giegl wurde für die wirtschaftliche Erschließung, aber besonders für die religiösen Veränderungen im Ötschergebiet von großer Bedeutung.

Giegl brauchte nun Leute, die mit den schwierigen Arbeiten der Holzbringung in der Bergwildnis bereits vertraut waren. Er wurde schließlich im Salzkammergut fündig, hier wiederum hauptsächlich im Gosautal, wo man für die Salinenbetriebe ebenfalls große Holzmengen unter ähnlichen Voraussetzungen herbeischaffen mußte. Das Holz wurde im Sommer geschlägert, im Winter über Holzriesen ins Tal gebracht und bei Schneeschmelze im Gosaubach hinaus nach Hallstatt getriftet.

Um 1750 kamen also die ersten Holzknechte in die Ötscherwälder und folgten hier der Arbeitsweise ihrer Gosauer Heimat. Diese Zuwanderer waren allesamt glaubensstarke Geheimprotestanten, was natürlich für das Stift Lilienfeld und die zugehörige Pfarre Annaberg eine Gefahr für die „Glaubensreinheit“ bedeutete. Es hieß auch vertraglich: „Niemand von den Arbeitern dürfe sich ohne ausdrückliche Erlaubnis des Stiftes verehelichen oder eine Hauswirtschaft gründen“. Im Hinblick auf die für Jahrzehnte berechnete Arbeit bewilligte nämlich das Stift eine dauernde Ansiedlung der Holzknechte.

Der große Kessel zwischen Ötscher und Gemeindealpe wurde bald mit neuem Leben erfüllt. Überall baute man feste Hütten, die Familien wurden hergeholt und entlang des Ötscherbaches und seiner Zubringer entstanden kunstvolle Holzbauten, wie Riesen, Schwemmklausen, Rechenanlagen und mehr. Zusammen bildeten diese Anlagen ein ausgeklügeltes System. Man muss den einfachen Menschen dieser Zeit hohen Respekt vor ihrem handwerklichen und technischen Können bezeugen.

Die hereinbrechende Zeit der Aufklärung und die Regentschaft Josefs II. führte im Jahre 1781 zum sogenannten Toleranzpatent und damit zur Duldung verschiedener Glaubensrichtungen nebeneinander. Diese Nachricht traf bald auch die in ihrem geheimen Glauben verbliebenen Holzknechte im Ötscher und fast geschlossen bekannte man sich nun öffentlich zum evangelischen Glauben. 1784 wurde in Mitterbach ein eigenes Bethaus bewilligt, zwei Jahre später gründete man eine evang. Konfessionsschule. Viele Holzknechte konnten sich von ihrem Ersparten bereits eine kleine Landwirtschaft kaufen und sich in Mitterbach oder der näheren Umgebung ansiedeln.

In den folgenden Jahren entstand ein kleines Dörfchen hier an der Erlauf, wobei aber der Name Mitterbach erst um 1830 gebräuchlich wurde. Vorher wurde die Gegend allgemein „Seerotte“ oder „beim See“ bezeichnet. Dabei hat man möglicherweise nicht den Erlaufsee angesprochen, sondern das verlandete Torfmoor, um welches sich eine uralte Sage rankt:

„Längst vergangen sind die Tage, als dieses Moor noch saftige Gräser trug und das beste Grundstück weit und breit war. Inmitten der Wiesen stand ein prächtiger Bauernhof. Als der Bauer plötzlich verstarb, hinterließ er zwei Söhne. Jeder von beiden schwor jetzt zum Himmel, daß er als rechtmäßiger Erbe vorgesehen sei. Hass und Streit waren die Folge. Schließlich sollte jener der rechtmäßige Bauer sein, der am tüchtigsten mähen konnte. Hin und her wogte der Kampf, doch am Ende waren beide gleichzeitig am Ziel. Jetzt ging es von neuem los mit Flüchen und Verwünschungen, aber alsbald fand der Frevel seine Bestrafung. Ein furchtbares Gewitter brach über das Tal, der Wiesengrund wankte und spurlos versank das gesamte Anwesen mit den beiden Brüdern. Als sich die Wasser verlaufen hatten, überzog eine dicke schwarze Torfschicht den einst blühenden Wiesenplan. In den moorigen Tümpeln, die von allerlei Gestrüpp umgeben sind, tummeln sich seither die Frösche. Wenn auch noch bleiche Nebelschleier über dem Tal liegen, hört man das Klagen der verwunschenen Seelen über dem Torfmoor rund um die Schwurwiese von Mitterbach.“.

Bis in unsere Jahrzehnte wurde in Mitterbach Torf gestochen. Einst für eine Glashütte, später für gewerbliche Zwecke und schließlich zum Beheizen von Häusern. Die Mächtigkeit der Lager betrug ursprünglich fast 3 Meter. Heute finden sich noch Reste am sogenannten „Schwurwiesenweg“, einer beliebten Abkürzung von der nö. Seestraße hinüber zur steir. Waldrandsiedlung.

Einen geschichtlichen Wendepunkt für das ganze Mariazellerland und natürlich auch für Mitterbach bedeutete die Fertigstellung der Mariazellerbahn im Sommer 1907. Die Ortschaften entlang der Strecke zogen einen großen wirtschaftlichen Nutzen. Ein gesicherter Arbeitsplatz veranlaßte viele, sich in der Gegend sesshaft zu machen und für eine riesige Schar von Touristen und Wallfahrern erschloss sich zu erschwinglichen Preisen eine herrliche Natur- und Erholungslandschaft. Der Österr.Touristenclub schuf auf den alten Wegen der Schwemmknechte entlang der Ötschergräben bequeme Steiganlagen. Bald entstand hier eines der beliebtesten Wandergebiete im Osten Österreichs.

Ein beklemmender Abschnitt jüngerer Geschichte soll hier auch in kurzen Sätzen erwähnt werden, eine Ära, die viele noch am eigenen Leib zu spüren bekamen: die Besatzungszeit im Anschluß an den zweiten Weltkrieg. Als 1945 die Vierteilung Österreichs beschlossen wurde, errichtete man quer durch den Grenzort Mitterbach die Demarkationslinie. Im Ort war eine russische Kommandantur untergebracht, Grenzpatrouillen und Straßensperren sorgten für eine hermetische Abriegelung. Täglich wurden sogenannte Überläufer festgenommen und inhaftiert. Besonders Frauen und Kinder zählten zu den schuldlosesten Opfern dieser Jahre. Erst knapp vor dem Staatsvertrag im Mai 1955 endete für Mitterbach diese schmerzliche Epoche der Fremdherrschaft.

Kaum konnte man sich wieder frei bewegen, zeigte man Tradition und Brauchtum. In wenigen Jahren kam es zu einem ungeahnten Aufschwung. Das ganze Ortsbild änderte sich nachhaltig, neue Wohnsiedlungen entstanden und moderne Fremdenpensionen sorgten sich um die Gäste aus nah und fern. Viele Private schufen sich die Möglichkeit der Zimmervermietung, jeder wollte teilhaben an den Möglichkeiten besserer Lebensbedingungen. Die Modernisierung der letzten Jahrzehnte verdrängte aber auch manches an gewohnter Tradition und Kulturpflege.

Erst in unseren Tagen erkennt man die Gefahren für die Zukunft: Zersiedelung der Landschaft, Müllprobleme, Gefährdung des Trinkwassers, Bedrohung des Waldes und vieles mehr. Noch ist uns ein liebenswertes Stück Heimat beschieden, gleichsam als wertvollstes Vermächtnis vergangener Tage, das es zu schützen und zu erhalten gilt.